Klimaneutrales Entsorgungs- und Recyclingsystem
Im Bereich Entsorgung und Recycling zeigt Zermatt beispielhaft, wie innovationsfreundliche Ausschreibungen umweltfreundliche Angebote ermöglichen. Von diesem System profitieren alle: die Gemeinde, deren Bewohnende und die Umwelt.
Was Umweltschutz betrifft, befindet sich ein Grossteil der Abfallentsorgungs- und Transportbranche auch im Jahr 2017 noch im Tiefschlaf. Zwar gibt es Vorzeigeunternehmen, die die Branche mit umweltgerechten Angeboten in ein besseres Licht stellen. Doch sind die Angst vor Neuem, veraltete Technik und Stillstand omnipräsent. Dabei bestätigen viele Beispiele, dass Unternehmen mit nachhaltigem Handeln überaus erfolgreich sein können. Im Rahmen der öffentlichen Ausschreibungen, die auf Nachhaltigkeit setzen, sind ISO 14001-zertifizierte Unternehmen, welche sich durch umweltschonende Dienstleistungen und Produkte auszeichnen, klar im Vorteil.
Zermatt setzt auf Nachhaltigkeit
Die Gemeinde Zermatt hat im Jahr 2010 ihren Auftrag für die gesamte Entsorgung und das Recycling ihrer Abfälle öffentlich neu ausgeschrieben. Als autofreier Tourismusort ist Zermatt besonders an einer umweltverträglichen, sauberen und wirtschaftlichen Lösung interessiert. Die durch die Ausschreibung gesetzten Rahmenbedingungen ermöglichten es der Schwendimann AG, für Zermatt ein innovatives Angebot zu erstellen. Im August 2010 nahm sie mit ihrem CO2-neutralen Entsorgungs- und Recyclingsystem «Alpenluft» an der Ausschreibung teil und erhielt im Dezember 2010 den Zuschlag. Im Juni 2013, zwei abgewiesene Einsprachen und zweieinhalb Jahre später, konnte das System-Alpenluft endgültig in Zermatt eingeführt werden.
Den Mut zu Neuem, den die Einwohnergemeinde Zermatt mit ihrer Ausschreibung und dem Entscheid, die Abfallentsorgung in Zermatt völlig neu aufzugleisen zeigte, hat sich vielfach ausbezahlt: Das System-Alpenluft ermöglicht durch den Einsatz von leisen Elektrofahrzeugen eine Reduktion der Lärm- und Abgasemissionen. Intelligente, geschlossene Pressbehälter, die über- und unterirdisch platziert werden können, sorgen für eine effiziente Sammlung, verhindern Geruchsemissionen und bieten eine optisch gute Lösung in einem ästhetisch anspruchsvollen Umfeld. Nebst den üblichen erneuerbaren Energien, können die Elektrofahrzeuge und Pressbehälter mit den durch sie eingesammelten Küchenabfällen, die zu Strom verarbeitet werden, betrieben werden. So spart die Gemeinde mit dem Alpenluft-System 60000 Liter Diesel pro Jahr ein. Dies entspricht 1800 Tonnen CO2-Äquivalenten in zehn Jahren. Damit ist Zermatt die erste Alpendestination mit einer praktisch emissionsfreien Abfallentsorgung, was dem Ort zu einem positiven Image verhilft. Durch die Einführung der Sackgebühr im Dezember 2012 und die mit dem System-Alpenluft erweiterten Sammelplätze konnte ausserdem die Recyclingquote von 18 Prozent auf 56 Prozent angehoben werden. Das neue System lohnt sich auch finanziell: Zermatt spart damit pro Jahr gegenüber dem alten Sammelsystem rund 350 000 Franken ein.
Raum schaffen für neue Lösungen
Verschiedene Faktoren ermöglichten der Schwendimann AG, mit dem neuartigen Entsorgungssystem die Zermatter Ausschreibung zu gewinnen. Neben mutigen Entscheidungsträgern, die beiden Parteien den Erfolg erst ermöglichten, waren insbesondere folgende Faktoren entscheidend:
- Angemessene Vertragsdauer: Damit Innovationen überhaupt erst möglich werden, ist für Dienstleister im Transport- und Entsorgungsbereich die durch die Entscheidungsträger der öffentlichen Beschaffung vertraglich zugesicherte Auftragsdauer mitentscheidend. Denn bei einer kurzen Vertragsdauer kommen die Anbieter in erheblichen Zugzwang: Warum sollen sie hohe Investitionen tätigen oder gar Kosten und Risiken einer Neuentwicklung selber tragen, wenn die Dienstleistungserbringung beispielsweise nur für fünf Jahre zugesichert ist? Erst eine angemessene Vertragsdauer und die damit für die Anbieter einhergehende finanzielle Sicherheit legt den Grundstein, mit innovativen Lösungen an Ausschreibungen teilnehmen zu können. Eine zehnjährige Vertragsdauer für einen Entsorgungsauftrag, wie sie in diesem Fall die Gemeinde Zermatt festgelegt hat, ist in der Abfallentsorgungsbranche grosszügig bemessen. In der Regel evaluieren Schweizer Gemeinden die Abfall- und Wertstoffsammlungen heute in einem Zeitraum von zwei bis fünf Jahren durch die politischen Organe in Form von öffentlichen Ausschreibungsverfahren neu.
- Varianten zugelassen: Das Beispiel Zermatt zeigt, dass der Vermerk «Varianten zugelassen» Innovation, Nachhaltigkeit und Weiterentwicklung fördert. Dass in einer Ausschreibung im Bereich Abfallsammlung und Transporte Varianten zugelassen werden, ist heute die Ausnahme. Mit den in Eignungskriterien und Pflichtenheft genannten klaren Vorgaben geben viele Gemeinden vor, welche Lösungen explizit anzubieten sind. Doch wenn die ausschreibende Stelle in ihrer Submission keine ökologischen Kriterien vorschreibt und zeitgleich auch keine Varianten zulässt, verbietet sie den Anbietern oft unbewusst den Fortschritt. Damit wird innovativen Unternehmen der Wind aus den Segeln genommen, den sie für die Schaffung nachhaltiger Angebote dringend benötigen. Ohne Varianten im Beschaffungswesen können Unternehmen keine besseren und nachhaltigeren Lösungen anbieten.
Ohne Mut und Vertrauen geht es nicht
Die Bereitschaft zur Fehlerkultur gehört unabdingbar zur Innovation. Ein ganzheitliches und nachhaltiges Produkt entsteht selten im ersten Wurf perfekt. Besseres besser zu machen, ist nur durch Erkenntnisse aus Fehlern möglich.
Für jede Innovation braucht es Mut von der ausschreibenden Stelle und von den einzugebenden Unternehmen. Mut entsteht durch Vertrauen und Vertrauen ist die Basis einer funktionierenden Partnerschaft – überall.